Carl Zeiss Jena Biotar 58 mm f/ 2 (non-preset) Lens Manual

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Das Biotar 7.5 cm 1:1.5
Weit gesuchter ist heute das Juwel unter
den klassischen Zeiss-Linsen: das Zeiss
Biotar 7.5 cm 1:1.5 (1938). Es ist das erste
hochlichstarke Portrait-Objektiv des Welt-
marktes. Nicht zuletzt aufgrund seines
Preises (damals mehr als zwei Monatsge-
hälter eines Ingenieurs)  blieb das 1.5/7.5
cm aber ein ausgesprochenes Spezialob-
jektiv für schlechte und schlechteste
Lichtverhältnisse. Die Optik hat zwar nur
sechs Linsen – diese sind aber teils aus
hochbrechenden, leicht gelblichen Son-
dergläsern gefertigt, auf die Ende der
1930er Jahre nur Zeiss Zugriff hatte. 
Bei Offenblende zeichnet das 1.5/7.5 cm
an der 
α
900 nur im Bildzentrum detail-
reich; gegen den Rand hin nimmt die Auf-
lösung schnell und deutlich ab. Aufgrund
der relativ kleinen Frontlinse haben die
Unschärfe-«Kreise» am Bildrand die Ge-
stalt von Katzenaugen («swirling bokeh»).
Sagittale und tangentiale Schärfe unter-
scheiden sich am Bildrand ganz erheb-
lich. Die Bildanmutung ist bei f1.5 recht
sanft, was gerade in kontrastreichen
«available light» Situationen zu gut durch-
gezeichneten Schatten führt, ohne dass
die Lichter ausfressen (siehe Bildbei-
spiele). Auch für Porträts eignet sich das
voll geöffnete 75er Biotar gut. 
Bei f2.0 steigt der Kontrast beträchtlich
an, die Randunschärfen bleiben aber un-
verändert störend. Bei f5.6-f8 wird das
Optimum an Detailauflösung erreicht; hier
übertrifft das alte Zeiss sogar die moder-
nen f2.8-Zooms von Minolta und Sony.
Generell ist die Farbkorrektur der Biotare
exzellent – man muss sogar von apo-
chromatischer Korrektur ausgehen, denn
auch bei kritischer Betrachtung sind keine
Farbquerfehler feststellbar (siehe grosses
Bild auf dieser Doppelseite, aufgenom-
men mit dem Biotar 2/58 mm).
Der Durchbruch
Durch die Vergütung wurden nach dem 
2. Weltkrieg die von Tronnier um 1930
vorgeschlagenen Planar-Abkömmlinge
mit fünf oder sechs Gliedern realisierbar.
Trotzdem erreichten die hochlichtstarken
Planare erst um 1960 das Niveau von
Berteles Sonnar 1.5/50 mm.
Ironischerweise leistete zunächst der
Zeiss-Konkurrent Leitz einen wichtigen
Beitrag für den Durchbruch des Planars.
Leitz setzte ab 1935 auf das Schneider
«Xenon» 5 cm 1:1.5. Es ähnelte stark dem
von Lee 1930 patentierten Planar-Ab-
kömmling mit verdoppeltem Hinterglied.
Ab 1949 wurde das «Xenon» von Leitz pa-
tentfrei als «Summarit» 1.5/50 mm nach-
gebaut – jetzt allerdings mit Vergütungen
und damit praxistauglich. 
Praktisch alle andere Hersteller folgten.
Das Zeiss Planar 1.4/55 mm (1961), das
Nikkor-S 1.4/50 mm (1962), aber auch
Canons 1.2/58 mm (1962) und Minoltas
MC-Rokkore 1.2/58 mm (1968) und
1.4/50 mm (1973) basieren auf demsel-
ben Prinzip. Eine weitere, 1937 von Tron-
nier bei Schneider vorgeschlagene
Modifikation löste das vordere Dublett
des Planars in Einzellinsen auf. Dieses
Prinzip findet sich u. a. im Minolta MC
1.7/85 mm (1970) und im Zeiss Planar
1.4/85mm (1974). 
Löst man beim Planar das Vorderglied auf
und verdoppelt gleichzeitig die Hinter-
linse, so bekommt man  zwölf Glas-Luft-
Flächen. Ohne wirksame Vergütung war
diese Variante praktisch nicht umzuset-
zen. Erst 1968 zeigten Canon und Pentax
mit ihren neuen 1.4/50 mm das Potenzial
dieser Bauweise. Das Resultat war so
überzeugend, dass seither praktisch alle
hochlichtstarken Normalobjektive nach
diesem Prinzip aufgebaut werden. Durch
höchstbrechende Sondergläser mit Brech-
zahlen von  >1.9 konnte Mandler bei Leitz
1976 die Lichtstärke dieses Typs sogar auf
f1.0 steigern («Noctilux» 1.0/50 mm).  
Verzichtet man auf hohe Lichtstärke, so
kann das Planar auch als Fünflinser ge-
baut werden. Sowohl Zeiss Jena («Bio-
metar» 2.8/80 mm und 2.8/120 mm) als
auch Zeiss Oberkochen («Planar» 2.8/80
mm) nutzten dieses Prinzip für die vielge-
rühmten Arbeitspferde zur «Hasselblad»
und zur «Pentacon Six».
Ausblick
Trotz zahlloser Modifikationen – deutlich
über 300 Planar-Abkömmlinge wurden
patentiert – ist allen Planaren etwas von
der eleganten Symmetrie von Rudolphs
ursprünglichem Entwurf geblieben. Erst
seit kurzem tauchen vermehrt stärker ab-
gewandelte Planare auf. Ein 2009 ange-
meldetes Sony-Patent für ein 1.2/50 mm-
Kleinbildobjektiv zeigt, in welche Richtung
die Entwicklung gehen könnte. 
Die Abbildungseigenschaften des Planars
wurden zum Massstab für sämtliche mo-
dernen Objektive. Paul Rudolph, der sein
mit dem «Protar», «Tessar» und «Planar»
erarbeitetes Vermögen in der grossen In-
flation von 1922/23 verloren hatte, musste
aber bis ins hohe Alter weiter arbeiten,
bevor er 1935 verstarb. 
SKö
Jazz in Sonvico: Simon Quinn / Homeland. 
Zeiss Biotar 1.5/7.5 cm bei f1.5, Sony A900.
Alle Fotos © Stephan Kölliker, www.artaphot.ch
Wir danken dipl. Ing. Peter Olbrich, Görlitz
(www.foto-service-goerlitz.de) herzlich für
die fachrerechte Überholung der abgebil-
deten Contax S und des für diese Aufnah-
men verwendeten Biotars 7.5 cm 1:1.5.
Der kleine feinmechanisch-optische Be-
trieb führt bereits in dritter Generation
spezialisierte Arbeiten sowie Überholun-
gen für Photographica-Sammler aus.
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